NMO/BBM
beobachter der bediener von maschinen - zentrale berlin in zusammenarbeit mit dem 'new mechanic observer'




johannes kockel (Vertretung Hamburg)


DIE OBJEKTE


TRAP - eine keusche Huldigung an Leonardo, ohne Mutter geborene Mädchen, die endlich erwachsen geworden sind: amour fou, aber mit Halluzionogencarbonat gehärtet. Ganze Kleinigkeiten wollen da in die Luft, emanzipierte Maschinen, lauernde Apparate, in deren Zuckungen und Lärm eine wahnsinnige Materie zu sich selbst gekommen ist. Das sind weniger künstlerisch als vielmehr politisch relevante Produkte mit autonomen Funktionen, taktilem Testwert. Der zerstreute Examinator wird hier im Augenblick zum Projektil, zum Protagonisten eines bloss Sekunden dauernden Totalen Krieges. Jeder kann Blériot sein, Curtiss, d'Annunzio, artistischer Kombattant und Viewmaster zugleich im letzten Kampf der Moderne.


DIE OPERATEURE


Die Dromomanen und Militanten um den gefährlichen Menschen CFN eint das autistische Dispositiv: Sammeln und Fallenstellen; Tom und Jerry; Ken, das Präzisionsgewehr und die Folgen; der kleine Offizier und seine imperiale Maschine; Krap und das Endlosband; Robotow und die SimuPation. Aus Gummimotorfetischisten und mechanistischen Choreografen sind Maschinisten geworden, die aus der Folterkammer des Dr. Fu Man Chu die sanitäre Akustik, aus Heinrich Anton Müllers schizoiden Megamaschinen die Herzstücke entwenden, um sie zu Geheimwaffen für den Krieg in den Städten umzuschmieden in der Gewissheit F. Jungs, daß noch die Zertrümmerung unseres Seins marschieren wird.


c) einige gedanken zu den intentionen von BBM


In den Maschinen von BBM zeigt sich eine aus der Spur laufende Mechanik und Kunst in ihrer technoiden Gestalt: Die dampfenden und feuerspeienden Kinder einer zwei Jahrhunderte alten Entdeckung, wiedergeboren in den wahnhaften Togträumen der Enkel am Ausgang des Zeitalters der totalen Fernsteuerung.
Die Gegengewalt der Erben ist ein Schritt in die Eskalation, die der Auslöschung digitalisierter Gehirne und anthropomorpher Apparate am Übergang in die erwünschte neue Gesellschaft vorausgeht. Die Maschinen können das Gesicht des Anderen nicht vorentwerfen, sie sind keine Gottesmaschinen, wie viele Betrachter von Maschinen denken.
Sie sind Bilder des Innen, nichts als die Rückprojektionen des Biofilms, sein schlimmes Gesicht im Zustand der Zersetzung.Überall lauern freundliche, hilfsbereite Masken, ein Welttheater, in dem Platon,Marx und Velikowsky in einen kinetischen Alptraum verwickelt sind. Allseits werden Ideologien ausverkauft auf dem Markt der kalkulierten Fehlentwicklung in den Großstädten. Die Medizin, ein Büro der Großindustrie, hat die Zentralorgane auf dem Seziertisch: im keimfreien Labor unter den kalten Augen der Geräte werden kompliziertere Maschinen gebaut und Organapparate aus rätselhaften Kohlenstoffverbindungen.
Die Hersteller der Maschinen von BBM sind Erfüllungsgehilfen der Wahrheit jedes Automaten als Zerstückler kommunikativer, geografischer und organischer Zusammenhänge.
Der Code der Automaten ist der Lärm. Ihre Vernunft ist die Logik der Kabelverbindungen, die ihre Funktion garantiert, dh. die, ohne ein Produkt auszuwerfen (Hemden zum Beispiel), permanent auf Produktion geschaltet ist im Kampf um Steigerung: eine Hypertrophie der Verhältnisse, bei der auch die Maschine wächst.
Die Komplexität der inneren Zusammenhänge korrespondiert der ideologischen Kraft des Apparates. Die Bedrohung erwächst aus der Notwendigkeit seiner Bestandteile, nicht aus den künstlichen Schocks wirkungsvoll arrangierter Placebos.
Insofern sind auch LEAs und MMVs Kollapsautomaten, unter industriellen Bedingungen gewachsen, nur durch sie lebensfähig, doch im Gegensatz zur kapitalistischen Arbeitsmaschine mit der Hoffnung auf Demaskierung ihres grundsätzlich gewalttätigen,i.e. lebensverneinenden Wesens ausgestattet.
In dem Sinn, wie Korzybski durch. die Erfindung des menschlichen Maschinenbaus die dynamischen Kräfte als Ablösung statisch zerstörerischer Antagonismen inaugurierte (Aristoteles' Entweder/Oder-Irrtum beseitigen!), ersetzen die Maschinen von BBM die falsche Idee vom Nutzen der Technik, die, ihrem Wesen gemäß, dh. wissenschaftlich angewendet, auch nach der Apo lexie eine Heilung der Herzkrankheit der Systeme möglich machen soll.
Im Moment, in dem der Glaube an die Erziehung (Aufklärung) als Irrtum sozialer Ingenieure erkannt wird, weicht er einem mutativen Sprung, so weit wie die Bewegung vom Wasser ans Land: ein Satz heraus aus der schon verlorenen menschlichen Gestalt - und in ein anderes Naturverhältnis.
BBM bauen Schleudersitze und Vektoren für diesen Sprung.
Ihre Geräte verhindern den Eintritt einer kollektiven Katatonie angesichts erstarrter Zustände, sie machen Spaß, der sich wie „Aufbruch" buchstabiert, als ein Versuch, aus der notwendigen Arbeit an der Veränderung rechtzeitig einen Lustgewinn zu ziehen und die vasomotorischen Gesichtsfurchen der revolutionären Theorie einzutauschen gegen die Lachfalten des im weißglühenden Walzwerk der Geschichte fröhlich sabotierenden Technikers.




1912-1916
zentrale abendländische Kulturträger wie der Verdichter und der Zementmischer werden entwickelt. Strom ist eine bewegliche Sache, findet die Rechtssprechung. Atlantiküberquerungen (ein weisses Taschentuch im Tiefflug vom Boden aufnehmen und der Dame überreichen, ohne ihr mit der Tragfläche den Kopf abzuschneiden) und von Protzen überrollte Grossväter mit Fotoapparaten in der Hand sind eine andere Sache.
1939
Valery avisiert uns eine 'zauberhafte' Mutation der Kunst durch Technik. Valery ist Schreibmaschinen benutzer. Er kann seine eigene Handschrift nicht mehr lesen. Für ähnliche Probleme hat Kafka eine Freundin, eine Art Robotor mit Sauerstoffanschluss (Cyborg). Er widmet ihr ein Stück Literatur ('Minni Tipp'). Benn lobt brieflich die 200 Anschläge seiner späteren Gattin Herta (aus Hannover).
1943
V2 Stoßstrahlen treten nach Art gotischer Strebpfeiler aus der zäpfchenförmigen Rakete: ein Lob der Architektur. Die Geburt der raumschaffenden Bombe aus dem Geist des raumschaffenden Dom.
1968
Juri Gagarin: 'Konstrukteure! Schon das Wort selbst barg etwas Bedeutendes, Strenges, Kompliziertes. Ich kam an die Moskauer Technische Hochschule. War es interessant? Interessant vielleicht, weil es schwer war.'
1971
'Crash' ('Der Mann, der Verkehrsunfälle liebte'), eine Symphonie in Chrom, Blech und Sperma.
(J. G. Ballard: 'Ich betrachte Crash nicht als Katastrophengeschichte. In gewissem Sinn sind das alles kataklysmische Geschichten. In Wahrheit zeige ich das Auftreten einer neuen Art von Logik, und sie wird freudig aufgenommen. ... Wenn ich eine Vermutung anstellen soll, so glaube ich, dass die Zukunft nicht wie 'Schöne neue Welt' oder '1984' sein (wird): sie ist ein Landklubparadies ... das Ergebnis hochentwickelter Technologien.')
1986
Kern/Thirlwell: Manhattan Love Suicide.
Frauenarsch, Pistole, Kotflügel, Abzug.
1988
Survival Research Laboratories, Matt Heckert: 'Die Maschinen tun, was sie tun. Wenn das ein wenig chaotisch aussieht, ist das nicht von uns organisiert. Unsere Maschinen haben eine wesentlich geringere Kraft als Lastwagen, Dampframmen und Bagger, die du täglich erlebst. Die ideologische Kraft ist etwas vollständig anderes. Damit spielen wir, mit dieser eingebauten Götterverehrung der Maschine in den westlichen Kulturen und besonders an industrialisierten Plätzen wie diesem hier.'


1989
Kockel: Badewanne, 7o kg; Werner: Würfel, 4o kg; Arndt: Rollstuhl, 5o kg ; Ludwig: Rekorder, 6 kg ; Aschmann: Gummimotor, 9 kg
In: Begleitinformation zur Ausstellung. Galerie paranorm, West-Berlin, 2.5.1989





BBM (Beobachter der Bediener von Maschinen) ist ein Künstler- und Kuratoren-Kollektiv. BBM wurde 1989 in Berlin von Olaf Arndt, Titus Kockel und CFN Werner (20. April 1965 – 20. April 2018) gegründet. Seit 2011 betreibt BBM als gemeinnütziger Verein einen denkmalgeschützten Hof an der Elbe in der Westprignitz als „subversiven Think Tank“.


Die erste Ausstellung interaktiver Objekte wurde 1989 in der Galerie „paranorm“ in der Berliner Lützowstraße realisiert. Seitdem bestimmen vornehmlich Live-Shows und Aktionen, die anfangs der Tradition „autodestruktiver Kunst“ verpflichtet waren (siehe Gustav Metzger), die Arbeit der Gruppe.
BBM verstehen sich als personell offene Forschungs-Plattform an der Schnittstelle zwischen Kunst, Wissenschaft und Technik. Sie betreiben seit 1997 ein eigenes, 800 m² großes Labor für kinetische und mediale Experimente in Hannover.
Ihr bislang bekanntestes Projekt ist der Themenpark „Wissen“ auf der Expo 2000, ein Schwarm-Experiment mit 72 Robotern, das bis heute als größter gelungener Versuch in „collective roboting“ gilt und von 1,2 Millionen Besuchern gesehen wurde.
2003 bis 2006 leiteten BBM das EU Kultur 2000 Projekt TROIA (Temporary Residence of Intelligent Agents) über „Technologien politischer Kontrolle“ und neue Methoden der Beherrschung von Unruhen im öffentlichen Raum.
Im Jahr 2009 kuratierten BBM gemeinsam mit Cecilia Wee, London und Moritz von Rappard das Projekt Embedded Art in der Akademie der Künste am Pariser Platz, Berlin, an dem über 50 Künstler teilnahmen. Alle gezeigten Kunstwerke sind Auftragsarbeiten und behandeln kritisch die Themen Sicherheit und Kontrolle, die staatlichen Reaktionen auf die „neuen Gefahren“ durch „internationalen Terrorismus“, sowie die daraus resultierenden gesellschaftlichen Veränderungen. Ferner präsentierten BBM im Rahmen von Embedded Art die New Yorker Show „aesthetics of terror“, die im Herbst 2008 aus politischen Gründen abgesagt wurde.


BBM beschäftigen sich mit der Zurichtung des Menschen durch technische, ideologische und architektonische Maßnahmen. In stets komplexen Inszenierungen im öffentlichen Raum setzen sie Roboter, selbst entwickelte optische Kontrollsysteme und nicht-tödliche Waffen wie Schaum, Strom, Schockwellen, Hitzestrahlen, Maldorants, Flash-Bangs, gepulstes Licht, weiche Projektile und andere, psychologisch effektive, aber weniger gefährliche Wirkmittel ein. Ihre Projekte ähneln eher Straßenschlachten als Ausstellungen. „Crowd control“ und der Konflikt zwischen systemoppositioneller und staatlicher Gewalt sind durchgehend wichtige Themen der Gruppe.
Seit 2003 sind sie in eine ästhetisch subtilere, mehr auf Recherche und Aufklärung ausgerichtete Phase ihrer Entwicklung eingetreten. Sie untersuchen den Einsatz der Wissenschaften im Kampf gegen den Terror, sowie den Nutzen von Hochtechnologie zur Pazifizierung der Bevölkerung bei Konflikten in demokratischen Staaten.
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